Fürstenerker Haus

Das Fürstenhaus

1558, vor über 450 Jahren, ließ sich der Leipziger Kaufmann Dr. Georg Roth nach Entwurf des Steinmetzen Paul Wiedemann an der Grimmaischen Straße 30, gegenüber dem heutigen Fürstenerker-Haus, das prächtigste Bürgerhaus der Leipziger Renaissance errichten. Das zweigeschossige Wohngebäude wurde von Giebeln bekrönt und seitlich von zwei Runderkern gerahmt, die in rotem Rochlitzer Porphyrtuff gearbeitet waren. Sie stellten die bemerkenswerteste Bauplastik jener Epoche in der Messestadt dar. Weil hier im Jahre 1612 vier Altenburgische Prinzen wohnten, die an der Leipziger Universität studierten, wurde es fortan Fürstenhaus genannt. Überliefert ist auch, dass Zar Peter der Große 1713 im Gebäude Quartier nahm. Zu diesem Zeitpunkt befand es sich bereits im Eigentum der benachbarten Universität. Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Bei Abbruch der Ruine wurden die beiden relativ gut erhaltenen Erker geborgen und in der Moritzbastei eingelagert.

Ein Meisterwerk der Bildhauerkunst

Der prächtige Runderker am Haus Grimmaische Straße 17, den wir heute wieder bewundern können, ist eine Kopie eines der beiden Erker, die ziemlich gleich gestaltet waren. Er wurde im Jahre 1986 an der Ecke des neuen Wohngebäudes angebracht. Der Dresdner Bildhauer Christian Hempel und Leipziger Steinmetze des kommunalen Denkmalpflegebetriebes hatten auf der Grundlage von erhaltenen Resten der beiden Renaissance-Erker sowie von historischen Fotos Paul Wiedemanns Meisterwerk wiedererstehen lassen. Der zweigeschossige Runderker mit der welschen schiefergedeckten Dachhaube hat sein Vorbild an den Runderkern von Kunz Krebs (†1540) am Torgauer Schloß Hartenfels. In den Brüstungsfeldern des Erkers sind im 1. Obergeschoss Wappendarstellungen und im 2. Obergeschoss Kartuschen mit Bildnissen der Besitzerfamilie angebracht.

Über den sechs Fenstern, in typischem Renaissance-Rollwerk gerahmt, ist die lateinische Inschrift „Turris fortissima nomen domini beati omnes qui confiunt in eo“ zu lesen, was soviel bedeutet wie: „Der festeste Turm ist der Name des Herrn, glücklich alle, die sich zu ihm bekennen.“ Am Erker finden sich weitere zeittypische bildhauerische Details, so etwa Flechtbänder und hängende Girlanden, die die Fenster voneinander trennen, aber auch Diamantquader und Eierstabfries. Unten am Konsolstein ist das Steinmetzzeichen Wiedemanns zu sehen.

Sichtbares Zeichen für den wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung in der Epoche der Renaissance ist noch heute das 1556/57 errichtete Alte Rathaus am Markt. Paul Wiedemann war unter der Leitung des Bürgermeisters Hieronymus Lotter entscheidend an der Errichtung und Ausgestaltung dieses Baus beteiligt. Beide prägten die Architektur der Hochrenaissance in Leipzig in besonderer Weise. Im 16. Jahrhundert vollzog sich in Leipzig auch der Übergang vom Fachwerkhaus zum Bürgerhaus aus Stein. Dabei wurden die Fassadenerker zu einer besonderen Leipziger Tradition.